
Doppeljubiläum
50. Wissenschaftliche Informationstagung – 70 Jahre Gesellschaft
In diesem Jahr konnte der Veranstalter,
die Berlin-Brandenburgische Gesellschaft
für Getreideforschung e. V., am
17. Juni 2021 wieder ein Doppeljubiläum
feiern. Neben der nunmehr 50. Wissenschaftlichen
Informationstagung feiert
der Verein sein 70. Gründungsjubiläum. Die
Gesellschaft wurde 2007 in „Berlin-Brandenburgische
Gesellschaft für Getreideforschung“
(BBGG) umbenannt.
Seit dem letzten Doppeljubiläum der
BBGG vor zehn Jahren, hat sich die Wissenschaftliche
Informationstagung in ihrer
inhaltlichen Gestaltung und ihrem Format
gemäß der Zielsetzung, Mittler zwischen
Praxis und Wissenschaft zu sein, gut weiterentwickelt.
In diesem Jahr wurde dieser
kontinuierliche Fortschritt erstmals unterbrochen,
weil durch die Pandemie die
Durchführung der Tagung vor eine große
Herausforderung gestellt wurde. So kam
es dazu, dass aufgrund der erlassenen Auflagen
zur Durchführung von Präsenzveranstaltungen
die alljährlich zur Internationalen
Grünen Woche Berlin im Januar veranstaltete
Informationstagung verschoben
werden musste. So trafen sich dieses Jahr
ca. 180 Experten des deutschen Getreide-
und Backgewerbes sowie der Wissenschaft
und der Zulieferindustrie das erste Mal virtuell.
In bewährter Weise fand sie in Zusammenarbeit
mit der TU Berlin, der Beuth
Hochschule für Technik Berlin, dem Max-
Rubner-Institut, Detmold, und dem Institut
für Getreideverarbeitung, Nuthetal, statt.
Ernährungssicherung, Innovationen
und Psychologie
Der Titel des Doppeljubiläums lautete die
„Bedeutung des Backgewerbes für die
Ernährungssicherung mit einem Ausblick
in die Zukunft“. Dieses Thema ist wohl
die bedeutendste Aufgabe des 21. Jahrhunderts,
weil sie die gesamte Weltbevölkerung
betrifft. Es handelt sich letztendlich
um die Gestaltung der Lebensverhältnisse,
die sich auf die Nachhaltigkeit
aller dafür zu treffenden Maßnahmen
gründen muss.
Prof. Dr.-Ing. Bernhard van Lengerich,
Seeding the Future Foundation, Minneapolis,
Minnesota, USA, zeigte auf, dass
es eine der größten Herausforderungen
ist, bis zum Jahr 2050 10 Milliarden Menschen
mit sicheren, gesunden und akzeptablen
Lebensmitteln nachhaltig und
gerecht zu versorgen. Dazu müssen die
Lebensmittel erschwinglich und zugänglich
sein und das Vertrauen des Verbrauchers
genießen. Eine solche Versorgung
wird dann möglich, wenn grundlegende
Veränderungen derzeitigen Lebensmittelsystems
realisiert werden können.
Aufgrund der Komplexität des Lebensmittelsystems
sowie dessen Wechselwirkungen
mit angrenzenden Systemen können
Lösungsansätze zur Transformation
von Lebensmittelsystemen mithilfe der
Systemanalyse sinnvoll erarbeitet werden.
Hierzu können zunächst nach Festlegen der
Systemgrenzen die zum System gehörenden
Elemente und Wirkungsbeziehungen
identifiziert und als qualitatives Systemmodell
dargestellt werden. Unter Verwendung
bereits bestehender Daten und Informationen
ermöglicht ein solches Modell
dann eine Identifizierung und Priorisierung
von Strategien und Maßnahmen, die letztlich
dazu beitragen werden, Lebensmittelsysteme
nachhaltig zu verbessern.
Externe Einflussfaktoren (Klimawandel,
Anstieg der Weltbevölkerung, eine
zunehmende Urbanisierung sowie geopolitische
und sozioökonomische Faktoren)
üben eine stärker werdende Belastung auf
das globale Lebensmittelsystem aus. Die
Änderung von Verzehrsgewohnheiten aufgrund
zunehmender Urbanisierung sowie
eines Anstiegs des Verzehrs tierischer
Lebensmittel führt weiterhin zu einem
überproportionalen globalen Anstieg der
Anbauflächen für Tierfutter. Zu den relevanten
Elementen des Lebensmittelsystems
gehören neben Landwirtschaft, Veredelung,
Lebensmittelproduktion, Verteilung,
Handel und Food Service-Einrichtungen
vor allem das Kauf- und Essverhalten
der Verbraucher. Alle diese Elemente üben
einen großen Einfluss auf den dadurch
generierten Materialfluss aus.
Das Thema „alte und neue Herausforderungen
an die Funktion des Backgewerbes
in der Ernährungssicherung“ griff Prof.
em. Dr. Dr. e. h. Friedrich Meuser, TU Berlin,
auf. Die Thematik leitete er aus der disproportionalen
Nutzung der Syntheseleistung
der Pflanzen an verdaulichem Kohlenhydraten
und Proteinen für die Ernährung
her. Diese Disproportionalität kann
den Ansprüchen an eine gesunderhaltende,
sozial- und umweltverträgliche Ernährung
weder entsprechen noch nachhaltig
sein. Diesbezüglich verwies er darauf, dass
die daraus resultierende Aufgabenstellung
seit mehr als 50 Jahren bekannt ist,
es aber offensichtlich am Willen mangelt,
die harten Fakten zur Lösung der Aufgabe
zur Kenntnis zu nehmen. Es wird darauf
hinauslaufen müssen, eine Ernährungsweise
zu präferieren, in der der Proteinanteil
Autor: Dipl.-Leb.-Chem. Dr. Jörg Häseler
Getreidetagung Berlin 15