
Die energieflexible Molkerei
als Treiber der Energiewende
Die Technische Hochschule Ingolstadt erforscht mit Partnern aus ihrer Region Möglichkeiten
der Emissionseinsparungen in Molkereien
Autoren: Martin Stöckl, M. Sc., wissenschaftlicher Mitarbeiter, Volker Selleneit, M. Eng.,
wissenschaftlicher Mitarbeiter, Prof. Dr.-Ing. Uwe Holzhammer, Forschungsprofessur
Energiesystemtechnik, Institut für neue Energie-Systeme
Die deutsche Industrie hat 2010,
188 Millionen Tonnen CO-Äquivalente
2emittiert. 2018 waren
es 195 Millionen Tonnen. Das
Klimaschutzgesetz gibt für Jahr 2028 die
Zielmarke von 132 Millionen Tonnen vor.
Molkereien sind als energieintensive Industriebetriebe
bei der Ausgestaltung der Energiewende
stark gefordert. Das seit 2018 laufende
Forschungsprojekt BlueMilk möchte es
Molkereien ermöglichen, proaktiv handeln zu
können und Mitgestalter der Energiewende
zu werden und auf dem Weg in eine nachhaltigere
Zukunft zur Seite zu stehen.
BlueMilk ist ein Verbundprojekt mit starken
Partnern aus Industrie und Medien und
wird vom Institut für neue Energie-Systeme
(InES) der Technischen Hochschule Ingolstadt
koordiniert. Als Praxispartner fungieren
die Molkereien Zott und Andechser Molkerei
Scheitz, die Anlagenplaner- und -bauer AGO
GmbH und Lemmermeyer GmbH sowie den
Medienpartnern Deutsche Landwirtschafts-
Gesellschaft und Deutsche Molkerei Zeitung.
Die Förderung des Vorhabens erfolgt aus
Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung
und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund
eines Beschlusses des deutschen Bundestages.
Die Projektträgerschaft erfolgt über die
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
(BLE) im Rahmen des Programmes zur
Innovationsförderung.
Das Forschungsprojekt arbeitet gemeinsam
mit den Partnern an unterschiedlichen
Ansätzen zur Treibhausgasminderung innerhalb
der hochkomplexen Strukturen und
Abläufen von Molkereien mit einer Konzentration
auf folgende drei Schwerpunkte:
Energieeffizienz- und CO2-Minderungspotentiale
des Wärmeverbrauchers Reinigungsanlagen,
Emissions- und Kosteneinsparpotentiale
durch Flexibilisierung von Kühllasten bei der
Lagerung von Molkereierzeugnissen und
Flexibilisierung durch Sektorenkopplung
bei der Eigenenergieerzeugung.
In allen Ansätzen wird unter anderem
untersucht, wie Strom aus erneuerbaren
Energien mittels Sektorenkoppelung
systemeffizient in die Molkereiprozesse
integriert werden kann. Es werden Handlungspfade
erarbeitet, wie trotz gleichbleibenden
oder erhöhtem Strombedarf der
Molkereien, deren Treibhausgasemissionen
sinken können. Entscheidender Faktor
ist dabei die Zeitdimension. Der Zeitpunkt
der Stromentnahme aus dem öffentlichen
Versorgungsnetz bestimmt die Emissionsmenge,
da unter geeigneten Wetterverhältnissen,
große Mengen Sonnen- und/
oder Windenergie eingespeist werden
können. Werden die Stromentnahmezeiten
flexibilisiert können trotz möglicher
prozessbedingter Effizienzverluste der
Energiewandlungsanlagen Emissionsziele
erreicht werden. Analog gilt dies auch für
Stromeinspeisungen. Sind die spezifischen
Emissionen im Versorgungsnetz hoch und
des eingespeisten Stroms niedrig, so wird
zur einer Treibhausgasminderung beigetragen.
Dadurch kann das Unternehmen seine
Emissionen senken und bei der Integration
von Erneuerbaren Energien helfen. Die Systemeffizienz
berücksichtigt die Energieeffizienz
und die Flexibilität als auch deren
Wechselwirkung von Energiewandlungsanlagen
zur betrieblichen Energieversorgung.
Energieeffizienz- und
CO2-Minderungspotentiale
des Wärmeverbrauchers
Reinigungsanlagen
Die untersuchten Reinigungsanlagen dienen
in den Molkereien zur Reinigung von
Tanks, Leitungen und Erhitzern. Die Anlagen
sind Wärmeverbraucher, da Reinigungsmittel
auf Temperaturen zwischen
55 °C und 80 °C erwärmt werden müssen.
Während des Reinigungsvorgangs kühlen
sich die Reinigungsmittel ab oder müssen
ersetzt werden, falls die Verschmutzung
des Reinigungsmittels Grenzwerte
erreicht. In beiden Fällen muss Energie
aufgebracht werden. Abgekühltes Reinigungsmittel
muss wieder auf die vorgegebene
Temperatur gebracht werden, neue
Reinigungsmittel muss aufgeheizt werden.
Im Forschungsprojekt wurde untersucht,
wie solche thermischen Verluste minimiert
werden können (Effizienzsteigerung) oder
durch Lastverschiebung der Reinigungen,
die Integration eines Blockheizkraftwerks
(BHKW) zur flexiblen Stromerzeugung
unterstützt werden kann, indem der Wärmeverbrauch
der Reinigungsanlagen die
Wärmeabnahme des BHKWs sicherstellt.
Die Untersuchungen zeigen, dass thermische
Verluste aufgrund von Konvektion,
34 Ressourcenmanagement