
MOSH/MOAH-Analytik
Food-Lab Interview mit Frau Dr. Susanne Kühn, Institut Kirchhoff, Berlin
Wieso ist die Mineralölanalytik ein so
relevantes Thema für die Lebensmittelindustrie?
Das Thema erregt bei den Verbrauchern
viel Aufmerksamkeit. Seit 2012, mit dem
ersten Artikel der Stiftung Warentest über
das Vorkommen von Mineralölkohlenwasserstoffen
in Adventskalendern, wird
regelmäßig über Befunde berichtet. Aber
nicht nur in Deutschland sind Mineralölkohlenwasserstoffe
in der fachlichen und
öffentlichen Diskussion. In den letzten drei
Jahren haben Publikationen von Verbaucherschutzinstitutionen
für großes Aufsehen
auch in Österreich, Frankreich, Belgien und
den Niederlanden gesorgt. Sie lösten eine
Welle von Anfragen bei den Herstellern
aus. Um die Kontamination von Lebensmitteln
mit diesen unerwünschten Substanzen
zu minimieren haben Industrie
und Handel in den letzten Jahren viel Geld
investiert.
Durch die global vernetzten Märkte
muss das Thema häufig bis zum Anbau
der Rohstoffe im Ursprungsland zurückverfolgt
werden, um eine wirksame Minimierung
zu ermöglichen. Seit drei Jahren
steigt daher auch die Wahrnehmung für
das Thema in anderen Ländern wie China,
Malaysia, Südamerika oder den USA.
Besonders in China wurde durch das Beijing
Center for Physical and Chemical Analysis
die Entwicklung der Mineralölanalytik
vorangetrieben und im Jahre 2020 eine
große internationale Fachkonferenz zur
Mineralölanalytik abgehalten.
Gibt es gesetzliche Regelungen?
Trotz der hohen Aufmerksamkeit gibt es
bisher keine rechtlich bindenden Grenzwerte.
Durch LAV (Länderarbeitsgemeinschaft
Verbraucherschutz) und den
Lebensmittelverband Deutschland wurden
Orientierungswerte erarbeitet, die der
Lebensmittelindustrie helfen sollen, ein
Maß für den Stand der Technik zu geben
und aufzuzeigen was mit angemessenen
Minimierungsmaßnahmen erreichbar ist.
Gesetzlich bindend gelten die GMP-Verordnung
2023/2006 die regelt, dass Lebensmittelkontaktmaterialien
die Gesundheit des
Verbrauchers nicht gefährden dürfen und
die Kontaminantenverordnung 1881/2006
die das ALARA-Prinzip (Minimierung auf das
nach dem bestmöglichen technischen Stand
erreichbare Maß) für genotoxische Karzinogene
fordert. Die EFSA hat in ihrer Scientific
Opinion von 2012 darauf hingewiesen, dass
die aromatische Fraktion der Mineralölkohlenwasserstoffe
(MOAH – mineral oil aromatic
hydrocarbons) mutagene und kanzerogene
Substanzen enthalten kann. Im offiziellen
Kommentar des Rapid Risk Assessments der
EFSA zu MOAH in Säuglingsnahrung von
2019 wurde daher explizit eine Konzentration
von 1 mg/kg MOAH als ausreichender
Nachweis von MOAH und als Beweis für eine
Verbrauchergefährdung gewertet. Im Rapid
Risk Assessments der EFSA wurde weiterhin
betont, dass speziell MOAH mit 3-7 aromatischen
Ringen karzinogen und genotoxisch
sind und Daten zu ihrem Gehalt in Lebensmitteln
benötigt werden.
Wie lange beschäftigt sich Ihr Unternehmen
bereits mit dem Thema?
Das Institut Kirchhoff Berlin beschäftigt
sich seit mittlerweile mehr als 10 Jahren
mit der Mineralölanalytik. Zusammen mit
Axel Semrau wurde eine Kopplung von
LC und GC-FID in der Routine etabliert,
die in dieser Form bis heute über 200-mal
weltweit verkauft wurde. Die in unserem
Hause entwickelte Methode fand in Teilen
Eingang in die DIN EN 16995, die ab 2017
lange Zeit die einzige Norm für die Analytik
von Mineralölkohlenwasserstoffen mittels
online-LC-GC-FID in Fetten/ Ölen und
pflanzenölbasierten Lebensmitteln war.
Erst 2020 wurde sie durch die DGF C-VI
22(20) 2020 ergänzt, die wir in einer Gruppe
von staatlichen Untersuchungsämtern
und Handelslaboren mit entwickelt, getestet
und validiert haben. Bereits zweimal
haben wir in der Vergangenheit zusammen
mit der DGF zu einer Konferenz mit
120 Teilnehmern eingeladen, um das Thema
mit anderen Stakeholdern zu diskutieren.
Wissenschaftlichkeit ist uns wichtig,
daher sind wir stets bereit unseren Methodenansatz
offen zu diskutieren und haben
mit großen Industriekunden zusammen
ein Best-Practice-Verfahren entwickelt.
Wie wird die Analytik durchgeführt?
Die Analytik erfordert die Anpassung der
Probenvorbereitung für die jeweilige Matrix.
Extrakte von Proben mit einer hohen Konzentration
natürlicher Wachse erfordern die
Behandlung mit Aluminiumoxid, um diese
zu entfernen. Für die Aufreinigung der
MOAH-Fraktion wird üblicherweise eine
Fr. Dr. Kühn ist Diplom-Chemikerin und seit
2017 an der Institut Kirchhoff Berlin GmbH,
Teil der Mérieux NutriSciences Gruppe, mit
den Schwerpunkten Lebensmittelanalytik
und
Kontaminanten tätig. Dort hat sie seit 2020
die Leitung des Prüflabors inne. Als Expertin
ist sie maßgeblich an der internationalen
Vereinheitlichung und Weiterentwicklung der
Mineralölanalytik beteiligt.
42 Qualitätsbestimmung