
den Organismen einen unbelasteten Rückzugsraum
zu bieten. Auch sollten die ökologischen
Folgekosten des Pestizideinsatzes
stärker in die Entscheidungssysteme einfließen,
ob der Einsatz eines synthetischen Mittels
wirklich gerechtfertigt sein könnte 23.
Profitieren würde dabei mittelfristig auch
der Pflanzenschutz selbst, da sich unter den
Bodenlebewesen auch viele Nützlinge finden,
die Landwirt*Innen bei der natürlichen
Schädlingsregulation unterstützen. Hierbei
wäre es Aufgabe der nachgelagerten Ernährungsindustrie
und der Verbraucher*Innen,
die nötige Transparenz beim Einsatz von
Agrarchemikalien einzufordern.
Gleiches gilt für den Bereich der Düngung.
Häufig kommen hier mineralische
Nährsalze zum Einsatz. Sie sind zum Erzielen
höchster Produktanforderungen des
Ernährungssektors für viele Landwirt*Innen
wichtiges Produktionsmittel. Jedoch haben
diese meist eine versauernde und dispergierende
Wirkung auf den Boden 7, 2. Die
von Bodenlebewesen mühsam aufgebauten
Boden-Humuskomplexe werden aufgelöst,
wodurch die Böden verschlämmen,
Poren verschließen und die Belüftung des
Unterbodens unterbrochen wird. Für Böden
und die darin wirkenden Organismen wäre
dagegen eine angepasste organische Düngung
das Mittel der Wahl 24. Diese versorgen
die Kulturpflanzen zum einen mit
den benötigten Nährstoffen, zum anderen
aber auch das Bodenleben mit organischem
Material – dessen Hauptnahrung. Entscheidend
ist hier das Maß 25. Zuviel der Gülle
belastet nicht nur das Grundwasser mit
Nitrat, sondern trägt auch unerwünschte
Stoffe wie etwa Medikamentenrückstände
aus der Viehzucht in Böden ein. Flächenangepasste
Viehbesatzdichten würden dafür
sorgen, dass organische Düngemittel besser
über die gesamte Agrarfläche verteilen
würden.
Über eine angepasste Kulturführung
können große Synergien zwischen dem integrierten
Pflanzenschutz und der Förderung
eines aktiven und diversen Bodenlebens
geschaffen werden. Weite und vielgliedrige
Fruchtfolgen, ergänzt durch diverse Zwischenfruchtmischungen
sorgen für einen
vielfältigen und stetigen Eintrag organischen
Materials sowie Bedeckung. Auf diese Weise
wird der Boden geschützt und das Bodenleben
mit abwechslungsreicher und ausgewogener
Nahrung versorgt 26. Die höhere
Diversität an Nutzpflanzen und damit Nahrungsmitteln
käme gleichzeitig auch uns
Menschen und unserer Gesundheit sehr zu
Gute. Darüber hinaus ist die Ausgestaltung
der Landschaft mit ausreichenden Strukturelementen
für das Bodenleben, aber auch
für die Biodiversität in der Agrarlandschaft
insgesamt von herausragender Bedeutung
27. Dabei ist es wichtig, dass sich ein
ausgewogener Mix aus dauerhaften Strukturen
wie Hecken und Säumen mit produktionsintegrierten
Maßnahmen wie Lerchenfenstern,
Blühstreifen und Kiebitzinseln gut
in das Landschaftsgefüge einfügt 4.
Landwirt*Innen haben ein hohes Eigeninteresse
Maßnahmen zur Förderung des
Bodenlebens in der Praxis umzusetzen. Sie
agieren jedoch in einem engen wirtschaftlichen
und politischen Rahmen. Die Politik
wird ihre Bemühungen zum Schutz des
Bodens und der darin wirkenden Organismen
im Zuge der nächsten Reformen der EU
Agrarpolitik sowie deren nationalen Ausgestaltung
stark ausbauen müssen 28. Das Bundesamt
für Naturschutz legte in seinem 2021
erstmals veröffentlichten Bodenreport dafür
eine breites Maßnahmenpacket vor 4.
Darüber hinaus sind aber auch Verbraucher*
Innen und der Ernährungssektor insgesamt
gefragt ihre Anforderungen an die
Landwirtschaft und ihre Produkte zu hinterfragen.
Qualitätsvorgaben des Handels
sorgen für unnötig hohen Ausschuss und
erhöhen den Druck auf Landwirt*Innen
und Böden. Vielmehr sollte der Ernährungssektor
versuchen ein Angebot zu schaffen
und auch bei den Kund*Innen zu bewerben,
dass den Umbau zu einer vielfältigen
und nachhaltigen Landbewirtschaftung
fördert und gleichzeitig einfordert. Das
immer breiter werdende Angebot und die
stetig wachsende Nachfrage an Produkten
des ökologischen Landbaus zeigt, dass
dieser Weg möglich und gefragt ist. Es ist
aber wichtig das Engagement gerade auch
abseits von Bioprodukten auszuweiten.
Bewusstseinsbildung durch gezielte Bewerbung
von nachhaltig und bodenschonend
produzierten Lebensmitteln mit transparenten
Preisen legen hier die Grundlage für
eine breite Nachfrage.
Der Schutz unserer Böden, mit dem
darin lebenden Organismen muss als
gesamtgesellschaftliche Aufgabe verankert
und getragen werden 4. Auf diese
Weise kann die Grundlage für den nachhaltigen
Umbau unserer Ernährungswirtschaft
gelegt werden. Auf die unzähligen
Ökosystemleistungen eines aktiven und
diversen Bodenlebens werden wir dabei
nicht verzichten können.
Quellen
1 EU Kommission. EU-Bodenstrategie für
2030 Die Vorteile gesunder Böden für
Menschen, Lebensmittel, Natur und Klima
nutzen. COM(2021) 699 final: Brüssel,
2021.
2 Global soil biodiversity atlas. Supporting
the EU Biodiversity Strategy and the Global
Soil Biodiversity Initiative: preserving
soil organism through sustainable land
management practices and environmental
policies for the protection and enhancement
of ecosystem services. Global soil
biodiversity initiative; Orgiazzi, A., Bardgett,
R. D., Barrios, E., Eds., 2016.
3 FAO. State of knowledge of soil biodiversity
– Status, challenges and potentialities:
Rom, 2020.
4 Nabel; Selig; Johanna; v.d. Decken;
Klein; Jessel. BfN Bodenreport. Vielfältiges
Bodenleben - Grundlage für Naturschutz
und nachhaltige Landwirtschaft: Bonn,
2021.
5 Wissenschaftlicher Beirat Bodenschutz
(BMU). Ohne Boden bodenlos. Eine Denkschrift
zum Boden-Bewusstsein: Berlin,
2002.
6 FAO. Status of the World's Soil Resources:
Main Report: Rom, 2015.
7 Heinrich Böll Stiftung; IASS Potsdam;
BUND; Le Monde diplomatique. Bodenatlas.
Daten und Fakten über Acker, Land
und Erde, 2015.
Der 2021 erstmal vorgelegte Bodenreport
des BfN bietet viele Hintergrundinformationen
zur Bedeutung
und zum Schutz von Bodenorganismen.
10 Science Slam IGW