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QUALITÄTSMANAGEMENT
Acrylamid –
der aktuelle Sachstand
Minimierungsstrategien und rechtliche Regelungen
›Autor:
Norbert U. Haase, Max Rubner-Institut, Detmold
Acrylamid kann in stark erhitzten
pflanzlichen Lebensmitteln
vorkommen. In diesem
Zusammenhang werden potentielle
gesundheitliche Auswirkungen
beim Menschen diskutiert. Solange
aber nicht abschließend die Toxizität
dieser Substanz geklärt ist, greift
ein allgemeingültiges
Minimierungskonzept,
nach dem die Gehalte so
gering wie vernünftigerweise möglich
sein sollen (ALARA-Prinzip). Mit
Einführung der EU-VO 2158/2017
werden den Lebensmittelherstellern
zahlreiche Auflagen gemacht, um die
Acrylamidgehalte
möglichst niedrig
zu halten. Lediglich Kleinherstellern
wird ein reduzierter Kontrollumfang
zugestanden. Dieses betrifft insbesondere
die Acrylamidmessung in den
verzehrfertigen Erzeugnissen. Zwar
sind die meisten Maßnahmen bereits
seit längerem bekannt, doch erhalten
sie mit der EU-Verordnung einen eher
verpflichtenden Charakter.
Einleitung
Acrylamid ist ein chemischer Werkstoff,
der in Form seines Polymers
(Polyacrylamid)
weite Verbreitung
sowohl in der technischen Industrie
als auch im Laborbereich (Stichwort:
Gelelektrophorese) erlangt hat. Dass
Acrylamid
auch in pflanzlichen Lebensmitteln
vorkommen kann, ist jedoch
neues Wissen. Grundlage hierfür
war ein Arbeitsunfall mit Acrylamid
in
Schweden, der dazu führte, dass nicht
nur im Blut der betroffenen Arbeiter
sondern auch im Blut einer unbelasteten
Kontrollgruppe Veränderungen
des roten Blutfarbstoffes festgestellt
wurden. Die Auswertung eines sich
anschließenden Ratten-Fütterungsversuches
mit gebratenen Lebensmitteln
führte zu der Überlegung, dass
möglicherweise in gebratenen Lebensmitteln
Acrylamid gebildet wird
1. Ab 2002 erlangten diese Informationen
allgemeine Aufmerksamkeit.
Der Bildungsweg im Rahmen der
Maillard-Reaktion wurde rasch aufgeklärt
2; 3 und erste Minimierungsstrategien
wurden entwickelt 4-6. Parallel
dazu kam es zur Entwicklung von
Analyseverfahren 7.
Bereits nach kurzer Zeit zeigte
sich, dass insbesondere stark erhitzte
bzw. frittierte und kohlenhydratreiche
Lebensmittel wie Pommes frites oder
Kartoffelchips besonders betroffen
waren. Entsprechend stark war das
Medienecho, das den Verzehr von frittierten
Kartoffelerzeugnissen massiv
hinterfragte. Ging in der Folge das öffentliche
Interesse an Acrylamid langsam
wieder zurück, so wurden doch
in den jeweiligen Branchen weiterhin
Minimierungsstrategien erprobt und
auch realisiert. Bis heute sind mehr
als 1.760 wissenschaftliche Publikationen
zu dieser Thematik verfasst
worden (Datenbank Web of Science;
Suchworte „Acrylamide“ + „Food“;
Zugriff am 10.01.2019). Mit Einführung
einer EU-Verordnung erhöht sich
jetzt wieder das allgemeine Interesse,
nachdem in den letzten Jahren eher
andere Substanzen im Mittelpunkt
der Betrachtung standen. Erste Meldungen
zu hohen Acrylamidgehalten
in italienischen Kartoffelchips belegen
dieses 8.
Acrylamid zählt zu den sogenannten
„food-borne“ Kontaminanten,
die sich bei der Lebensmittelzubereitung
im Lebensmittel bilden,
also nicht von außen zugefügt werden.
Die zur Acrylamidbildung führende
Reaktionskaskade ist in der
Maillard-Reaktion verankert, die bis
dato primär für die Bildung von Farbpigmenten
und Aromakomponenten
bekannt gewesen ist 9. Für die Reaktion
sind einige Rahmenbedingungen
erforderlich. So muss die Temperatur