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Rechtsanwalt Dr. Markus Grube, KWG Rechtsanwälte, Gummersbach/Brüssel
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RECHTSFRAGEN
„Topf Secret“
und Internetpranger
Wiederbelebungsmaßnahmen Totgeglaubter
Die Verbraucherorganisation foodwatch und die Transparenz
Initiative FragDenStaat wollen mit der neuen Online-
Plattform „Topf Secret“ endlich „Licht ins Dunkel“ bringen,
indem Verbrauchern ein sehr einfaches Instrument an die
Hand gegeben wird, an Informationen über Lebensmittelbetriebe
zu gelangen, welche im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung
bei den Behörden anfallen. Über ein „Mitmach-Portal“
werden Verbraucher animiert, entsprechende Auskunftsbegehren
an die zuständigen Behörden zu richten, und zwar auf der
Rechtsgrundlage des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG). Bekommen
Verbraucher eine Antwort auf ihre Anfrage, sollen sie
diese auf „Topf Secret“ hochladen, damit sämtliche Antworten
öffentlich sichtbar werden. Damit wird ein Informationsfreiheitsgesetz
wiederbelebt, das seinem Namen als „Verbraucher“-Informationsgesetz
nie gerecht wurde. Das VIG, das bereits am 1. Mai
2008 in Kraft getreten ist, gewährt allen Personen, insbesondere
auch Privatpersonen einen Anspruch auf Informationen über Unternehmen
der Lebensmittelwirtschaft sowie Verbrauchsgüterindustrie
und deren Produkte, die den Behörden vorliegen. Damit
ist es möglich, unmittelbaren Einblick in die bei den Behörden
befindlichen Unternehmensakten zu nehmen, um sich beispielsweise
über Rechtsverstöße oder Abweichungen zu informieren,
aber auch über die Beschaffenheit von Produkten etc. Genutzt
wurde es bislang vor allem von Nichtregierungsorganisationen,
Journalisten und Unternehmen, die im gegenseitigen Wettbewerb
stehen. Verbraucheranfragen waren bislang die Ausnahme.
Das neue „Mitmach-Portal“ vereinfacht nun das Procedere für
Verbraucher in einer Weise, dass mit massenhaften Auskunftsbegehren
zu rechnen ist. Nach nur einem Tag sollen auf diese
Art und Weise bereits 4.500 Anträge auf Veröffentlichung von
Hygiene-Berichten an Behörden gestellt worden sein. Dabei äußerte
sich selbst der Bund der deutschen Lebensmittelkontrolleure
kritisch zu der neuen Plattform und teilt mit, „dass die vorgesehene
Verbraucherplattform Topf Secret nicht benötigt wird“.
Damit überholen die Nichtregierungsorganisationen den deutschen
Gesetzgeber, der aktuell an einer Überarbeitung einer Rechtsvorschrift
zur Information der Öffentlichkeit über lebensmittelrechtliche
Verstöße arbeitet. Die Vorschrift des § 40 Abs. 1a des deutschen
Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) verpflichtet die
Überwachungsbehörden, die Öffentlichkeit über Abweichungen
und Rechtsverstöße, die das Lebensmittelrecht betreffen, zu informieren.
So müssen die Behörden beispielsweise mittels einer
Internetveröffentlichung über Höchstmengen- und Grenzwertüberschreitungen
(zum Beispiel für Pestizide und Kontaminanten)
sowie lebensmittelrechtliche Verstöße (zum Beispiel gegen hygienerechtliche
Vorgaben) mit einer gewissen Relevanz, an die allerdings
nicht allzu hohe Anforderungen gestellt werden, berichten, und
zwar unter Nennung des Produktnamens sowie des betreffenden
Lebensmittelunternehmens („Ross und Reiter-Benennung“). Im
März 2018 hat das Bundesverfassungsgericht der Vorschrift attestiert,
grundsätzlich verfassungskonform zu sein. Damit ist der Startschuss
gefallen, die entsprechenden Internetportale zu reaktivieren,
die zwischenzeitlich von den betreibenden Bundesländern stillgelegt
worden waren. Denn die Vorschrift, die im Jahre 2012 als Antwort
auf den damaligen Dioxinskandal im Futtermittelbereich eingeführt
worden war, hatte eine wahre Rechtsprechungsflut in den einzelnen
Bundesländern ausgelöst. Die Entscheidungslage der oberverwaltungsgerichtlichen
und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung
fiel uneinheitlich aus. Oftmals wurde die Verfassungskonformität
der Regelung selbst, zum Beispiel unter Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit
oder des Grundsatzes der Unschuldsvermutung, in
Frage gestellt. Das Bundesland Niedersachsen hatte dann die Vorschrift
im sogenannten Normenkontrollverfahren dem Bundesverfassungsgericht
zur Überprüfung vorgelegt.